
Der Ablauf einer Psychotherapie
1. Sprechstunde und Kennenlernen
Stellen Sie sich vor, Sie haben sich für eine Psychotherapie entschieden. Sie wissen bereits, welche Methode Sie gewählt haben und sie haben Ihren ersten Termin bei einem Psychotherapeuten. Was erwartet Sie? Wie ist der Ablauf einer Psychotherapie?
Zunächst haben Sie die Möglichkeit in einer psychotherapeutischen Sprechstunde den Therapeuten / die Therapeutin kennenzulernen. Darüber hinaus erfahren Sie, ob er/sie einen freien Therapieplatz hat.
Hier können Sie in bis zu 6 mal 25 min. (oder auch 3 mal 50 min.) gemeinsam herausfinden, ob bei Ihnen ein Verdacht auf eine behandlungsbedürftige psychische Erkrankung besteht. Dafür können Sie erst einmal frei erzählen, was sie zu der Sprechstunde geführt hat und der Therapeut /die Therapeutin wird Ihnen begleitend dazu Fragen stellen.
Keine Angst! Psychotherapeuten wissen, dass ihre Patienten / Patientinnen häufig aufgeregt in der ersten Sitzung sind und werden Sie daher auch durch das Gespräch führen.
Die Sprechstunde wurde am 1. April 2017 neu eingeführt und ist seit dem 1. April 2018 verpflichtend. Das bedeutet, dass Sie zunächst mindestens eine Sprechstunde (25 min.) in Anspruch nehmen müssen, um dann eine probatorische Sitzung zu beginnen.


2. Die Probatorik
Haben Sie die psychotherapeutische(n) Sprechstunde(n) bereits hinter sich folgen bis zu 4 Sitzungen in der sogenannten Probatorik. Diese dient dazu, den Psychotherapeuten / die Psychotherapeutin weiter kennenzulernen, Ziele für die Therapie festzulegen, die Therapiemotivation und die Veränderungsmotivation zu überprüfen und diagnostische Testungen zu machen, um die Verdachtsdiagnose zu sichern.
Nach der 4. Sitzung sollten Sie spätestens gemeinsam festlegen, ob Sie nun eine Psychotherapie beginnen oder nicht. Bei der Entscheidung sollten Sie vor allem darauf achten, ob Ihnen der Psychotherapeut / die Psychotherapeutin sympathisch ist, ob Sie sich verstanden fühlen und ob Sie sich vorstellen können, diese Person nun regelmäßig zu sehen.
Allerdings erwarten Sie keine Wunder in den ersten Sitzungen! Denn frühe Erfolge sind meist ebenso schnell wieder verpufft und Psychotherapie ist harte Arbeit. Vor allem für Sie selbst.
3. Ihre Entscheidung
Entscheiden Sie sich für diesen Psychotherapeuten / diese Psychotherapeutin, haben Sie weiterhin 1-3 Sitzungen pro Woche, die sie mit ihm/ihr vereinbaren können. Das bedeutet in der Verhaltenstherapie meist 1 bis 2 Stunden pro Woche, in psychoanalytischen Verfahren bis zu 3 Sitzungen pro Woche.
Die Verhaltenstherapie dauert zwischen 12 und maximal 80 Stunden. Die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie hingegen bis zu 100 Stunden. Dagegen kann die Psychoanalyse bis zu 300 Stunden in Anspruch nehmen.
Entscheiden Sie sich gegen diesen Psychotherapeuten / diese Psychotherapeutin, können Sie jederzeit (auch parallel) jeweils bis zu 4 Termine bei anderen Psychotherapeuten ausmachen. Ich empfehle stets sich ein Bild von mehreren Psychotherapeuten / Psychotherapeutinnen zu machen, um kommende Enttäuschungen möglichst zu vermeiden.
Folgerichtig haben Sie einen Vergleich und können sichergehen, den passenden Therapeuten / die passende Therapeutin und womöglich auch die passende Therapierichtung zu finden.


4. Zusammen zum Erfolg
Bei der Psychoanalyse bzw. den tiefenpsychologisch fundierten Verfahren basiert die Vorgehensweise auf der Annahme, dass die wahren Bedürfnisse und Wesenszüge eines Menschen in seinem Unterbewussten verankert sind.
Durch eine ungünstige Kindheit konnte der Patient sein wahres Ich nicht richtig entwickeln. In ihm streiten sich das durch die Eltern hervorgerufene schlechte Gewissen, Moral, Erwartungen etc. (im sog. ÜBER-ICH) und die in ihm steckenden Bedürfnisse und Wünsche (im sog. ES). Das ICH muss zwischen diesen beiden Kräften ständig abwägen und einen Kompromiss finden.
Je mehr diese beiden Kräfte jedoch auseinanderliegen desto schwieriger wird es und es entstehen Störungen im Ich. In der Therapie wird dieser unbewusste Ablauf bewusst gemacht und bearbeitet.
Das bedeutet, es wird davon ausgegangen, dass der Patient sich im Laufe der Therapie dem Therapeuten so gegenüber verhält als wäre der Therapeut ein Elternteil und der Patient das Kind von damals. Je eher das passiert desto erfolgsversprechender ist der weitere Psychotherapie Ablauf.
5. Analyse als Hilfestellung
Aus den Gefühlen, den Gedanken und dem Verhalten des Patienten, aber auch des Therapeuten kann dann die Kindheitsgeschichte rekonstruiert werden.
Danach kann der Patient eine neue Erfahrung mit einem Therapeuten machen, der nun stellvertretend für den damals konflikthaften Elternteil die Wunden von damals aufdeckt und mit dem heute erwachsenen Patienten gemeinsam verarbeitet.
Auch spiegeln sich unsere erwachsenen Beziehungen meist in den Beziehungen wider, die wir als Kind erlebt haben. Durchschauen wir das Verhalten, die Gedanken und Gefühle, müssen wir uns nicht immer wieder denselben Verletzungen aussetzen.
Demzufolge arbeiten tiefenpsychologische Verfahren mit der Analyse von Träumen. Das vorwiegende Medium ist hierbei die Sprache.


6. Gemeinsame Ziele
Die Verhaltenstherapie (VT) hingegen versucht vorwiegend im Hier und Jetzt Veränderungen herbei zu führen. Der Therapeut handelt mit dem Patienten einen Therapievertrag aus und legt gemeinsam Ziele mit ihm fest.
Dann folgen Übungen, Rollenspiele, Expositionen (sich der angstauslösenden Situation stellen) und der Therapeut gibt Hausaufgaben auf, damit neue Verhaltensweisen erlernt werden können.
Heutzutage gehen die Verhaltenstherapeuten jedoch auch mehr und mehr auf die emotionalen Erfahrungen der Kindheit ein. Überdies versuchen sie herauszufinden, welche Bedürfnisse des Kindes nicht erfüllt worden sind und welche Gefühle den Patienten blockieren, um ein glücklicheres Leben zu führen.
Die Verhaltenstherapie integriert heute immer mehr Verfahren. Infolgedessen bietet sie damit immer mehr Zugangs- und Veränderungsmöglichkeiten des Verhaltens, der Gedanken und der Gefühlen (z.B. Entspannungsverfahren, Phantasiereisen, Körperorientierte Verfahren, Malen, Musik, Schreiben, etc.).
7. Kostenübernahme
Die hier beschriebenen Psychotherapiemethoden werden von der Krankenkasse bezahlt. Andere Methoden (Hypnose, Systemische Therapie, etc.) können ebenfalls in Anspruch genommen werden.
Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass der Psychotherapeut zusätzlich eine Ausbildung in einer der eben erläuterten Psychotherapiemethoden hat. Diese müssen jedoch vom Patienten selbst bezahlt werden.
