Trichotillomanie Ursachen & Auslöser

Warum entsteht der Drang zum Haareausreißen?

Die Trichotillomanie kann sehr belastend sein und je nach Schweregrad der Belastung zu einer psychischen Erkrankung werden. Psychische Erkrankungen definieren sich unter anderem dadurch, dass sie subjektives Leiden erzeugen. Reißt du dir die Haare aus, hast aber keine Probleme damit und leidest nicht darunter, ist dieses Verhalten also streng genommen gar keine psychische Erkrankung. Da du auf dieser Seite angekommen bist, hast du jedoch vermutlich ein Leiden mitgebracht und möchtest etwas ändern. Und das Schöne dabei ist: ab sofort darfst du die Trich als deine Verbündete darin sehen, dich besser kennenzulernen und dein Leben positiv zu verändern.

Psychologische Auslöser – Wenn Emotionen zu Handlungen werden

Viele Betroffene berichten, dass das Haareausreißen in Momenten von Anspannung, Stress oder innerer Leere auftritt.
Die Handlung dient kurzfristig der Beruhigung, Ablenkung oder dem Spannungsabbau.

Typische emotionale Auslöser sind:

  • Anspannung, Stress oder Angst
  • Langeweile, Einsamkeit oder innere Leere
  • Überforderung und hoher Leistungsdruck
  • Selbstablehnung oder Perfektionismus

Der Moment des Ziehens wird dann zu einem Ventil – ein kurzer Moment der Kontrolle in einer als unkontrollierbar erlebten Situation.

Oft berichten PatientInnen zunächst, dass sie diese emotionalen Auslöser nicht bei sich erkennen können. Dies liegt meist daran, dass ihnen die notwendige Achtsamkeit dafür fehlt.

Achtsamkeit ist die Fähigkeit in diesem Moment voll und ganz da zu sein und wahrzunehmen was ist. In unserer digitalen und technischen Multitasking Welt sind wir jedoch oft viel zu abgelenkt, um wirklich wahrzunehmen, was in uns vorgeht. Und selbst wenn wir vielleicht etwas bemerken, oft so gefangen in unseren automatischen Reaktionen und Denkprozessen, dass wir kaum die Möglichkeit finden uns aus der Vogelperspektive zu betrachten.

Hier kommt die Achtsamkeit ins Spiel. Durch Übungen kannst du lernen wieder mehr im Hier und Jetzt zu sein, dich und deine Gedanken, Gefühle und Automatismen besser zu erkennen, um dann Schritt für Schritt Veränderungen herbeizuführen.

Neurobiologische Hintergründe – Das Belohnungssystem spielt mit

Neurowissenschaftliche Studien zeigen, dass Trichotillomanie mit einer veränderten Aktivität im sogenannten Belohnungssystem des Gehirns einhergeht.
Der Reiz, die Haare zu ziehen, wird ähnlich verarbeitet wie ein Impuls bei Suchterkrankungen.

Das heißt:
Nach dem Ziehen folgt kurzfristig ein Gefühl der Erleichterung – das Gehirn „lernt“ also, dass das Verhalten
ein angenehmes Gefühl bringt, und wiederholt es.

„Aber jedes Mal, wenn ich die Haare ausgezogen habe, habe ich im Anschluss doch auch ein unangenehmes Gefühl von Scham, Ärger auf mich selbst, Schuld“, wirst du jetzt vielleicht denken. Und ja, wenn du genau hinschaust, hast du im Moment des Ziehens ein Genussgefühl in dir und kurz darauf erst ein Unangenehmes.

Das unangenehme Gefühl wird dann jedoch nicht mit dem Ziehen verknüpft, sondern dein Gehirn verknüpfst es mit deiner Person, deinem Selbstbild und du bist enttäuscht von dir selbst. Das Gehirn merkt sich dann also: Haare ziehen ist toll und angenehm, aber ich bin wertlos.

Unser Gehirn hat zwei Ziele. Erstens will es, dass dein Organismus überlebt. Und Zweitens, es möchte möglichst wenig Energie dabei verbrauchen. Deswegen spielt es auch gerne gut gelernte Verhaltens- und Denkmuster immer wieder automatisch ab. Das erfordert wenig Energieaufwand und hat uns offensichtlich bis heute dazu verholfen am Leben zu bleiben. Deswegen ist es auch so schwer ein gelerntes Verhaltensmuster wieder zu verlernen. Es braucht einen starken Willen und Durchhaltevermögen.

Das Gute ist jedoch: die meisten Trichotillomanie Patientinnen bringen ein hohes Anspruchsdenken für sich mit und sind sehr leistungsorientiert. Sie haben in anderen Bereichen ihres Lebens meist schon bewiesen, dass sie schaffen, wenn sie etwas wirklich wollen. Das können wir uns auch hier zu Nutze machen. Der Einzige Unterschied ist: in den meisten Fällen haben diese Frauen oder auch Männer gelernt, dass Druck ihnen zu mehr Leistung verholfen hat.

In diesem Fall ist es jedoch genau das was wir reduzieren müssen. Den Druck, den du dir selbst machst. Und daher geht es bei der Therapie von Trichotillomanie nicht nur darum das Ziel zu verfolgen die Trich zu reduzieren, sondern auch den Druck, den die Betroffenen sich selbst deswegen machen, umzuwandeln in liebevolle Fürsorge für sich selbst. Und genau darin liegt der Schlüssel der Verwandlung: eine neue Beziehung mit dir selbst schaffen. Eine die auf Liebe, Geduld und Fürsorge basiert und dabei zu bemerken, dass du dennoch großartige Leistungen vollbringen kannst. Nur mit deutlich mehr Lebensfreude.

Genetische und familiäre Faktoren

In manchen Familien tritt Trichotillomanie gehäuft auf, was auf eine gewisse genetische Veranlagung hinweisen kann.
Auch beobachtetes Verhalten kann eine Rolle spielen – Kinder übernehmen unbewusst Strategien, wie mit Stress oder Emotionen umgegangen wird. Aus der Epigenetik lässt sich ableiten, dass es auch möglich ist, dass lange eintrainierte Verhaltensweisen auch wenn wir sie als Eltern nicht mehr durchführen, dennoch auch bei unseren Kindern wieder auftreten können.

Dennoch ist es wichtig zu wissen, dass jegliches Verhalten aufgrund der Neuroplastizität unseres Gehirns wieder umgelernt werden kann. Darauf zurückzuschließen, dass man sein Verhalten aufgrund einer genetischen Veranlagung nicht ändern kann wäre daher sehr kontraproduktiv. Daher lasse dich bitte nicht dazu verleiten aufgrund von etwaigen genetischen oder familiären Häufungen den Glauben und den Willen aufzugeben, dass du etwas ändern kannst.

Zusammenhang mit anderen psychischen Störungen

Trichotillomanie kann gemeinsam mit anderen Störungen auftreten, etwa:

  • Zwangsstörungen
  • Angststörungen
  • Depressionen
  • Körperdysmorphe Störung

Das bedeutet nicht, dass jede betroffene Person mehrere Diagnosen hat – aber manchmal wird durch das Haare herausziehen ein Körpermerkmal als so unattraktiv gesehen, dass Scham entsteht. Scham ist im Grunde eine Form der Angst. Die Angst von anderen negativ beurteilt und abgewertet und damit abgelehnt zu werden. Wer dieser Scham folgt und sich dann nicht mehr in der Öffentlichkeit zeigen möchte oder Angst hat nahe Beziehungen einzugehen, vernachlässigt automatisch seine Bedürfnisse.

Dies kann sich in einem Teufelskreis verwandeln der dann eine Angststörung, eine Depression oder auch andere Störungen begünstigen oder hervorrufen können. Diese wiederum kann dann die Ausprägung der Trichotillomanie verstärken und es entsteht ein weiterer Teufelskreis, den du jedoch durchbrechen kannst, wenn du dich den Ursprüngen deines Unwohlseins stellst.

Individuelle Auslöser erkennen – der erste Schritt zur Veränderung

Der wichtigste Schritt in der Therapie ist das Erkennen persönlicher Auslöser.
Hilfreich ist dabei ein
Selbstbeobachtungsprotokoll, in dem Zeitpunkt, Situation, Gedanken und Gefühle festgehalten werden.

💡 So wird aus einem scheinbar unkontrollierbaren Verhalten ein Muster, das verstanden – und dadurch verändert – werden kann.

Fazit

Trichotillomanie entsteht nicht „einfach so“. Sie ist das Ergebnis verschiedener psychischer, emotionaler und neurobiologischer Prozesse. Die gute Nachricht: Alles, was erlernt wurde, kann auch wieder verlernt werden.

Trichotillomanie Ursachen & Auslöser