Sie fressen uns auf, sie drücken uns auf den Magen, sie verfolgen uns. Schuldgefühle. Wer sie kennt, weiß was ich meine. Und kaum jemand kennt sie nicht. Manche sind vielleicht besser darin sie zu unterdrücken, zu verdrängen, manche jedoch müssen immer wieder an die auslösende Situation denken und glauben dann der schlechteste Mensch der Welt zu sein.
Was sind Schuldgefühle eigentlich
Und wann sind sie gerechtfertigt?
Zunächst sollten wir zwischen gesunden und ungesunden Schuldgefühlen unterscheiden lernen.
Gesunde Schuldgefühle sind vor Urzeiten in uns entstanden, als die Menschen beschlossen haben in Gemeinschaften zu leben, da das Überleben dann gesicherter war als alleine. Wer in einer Gemeinschaft lebt, braucht Regeln, damit der eine dem anderen nicht einfach etwas wegnimmt oder antut.
Damit sich die Menschen sicher miteinander fühlen können.
Wer gegen die Regeln verstößt, wird aus der Gruppe ausgeschlossen. So war es früher und so geschieht es auch heute bei schweren Verfehlungen. Gesunde Schuldgefühle erkennen wir also daran, dass wir gegen das Gesetz verstoßen haben. Auch erkennen wir gesunde Schuldgefühle daran, wenn wir vorsätzlich einer anderen Person Schaden zugefügt haben.
Alle anderen Formen von Schuldgefühlen sind ungesunde Schuldgefühle.
Doch wie entstehen ungesunde Schuldgefühle?
Durch unsere inneren Regeln. Hiervon gibt es zahlreiche:
moralische Regeln z.B. man darf nicht egoistisch sein
religiöse Regeln z.B. man muss täglich beten
persönliche Regeln z.B. ich muss imner hilfsbereit sein
Soziale Regeln z.B. man soll nicht lügen.
Jeder Mensch hat hier seine ganz individuelle Bandbreite an Regeln. Je mehr Regeln du hast und je strikter du denkst dich daran halten zu müssen (z.B. durch die persönliche Regel: „ich darf keine Fehler machen“), desto stärker und desto häufiger werden dich Schuldgefühle begleiten.
Wenn aber jeder Mensch seine eigenen Regeln hat, wieso habe ich mir dann scheinbar so viele ausgesucht oder bin so strikt darin sie zu befolgen und habe mehr Schuldgefühle als andere?
Das hängt mit der Biographie zusammen. Aber keine Angst. Du musst nicht gleich durch Psychotherapie alles aufarbeiten. Es reicht sich die Regeln bewusst zu machen, die dich anfällig für Schuldgefühle machen und sie zu hinterfragen.
Der größte Irrglaube hinter ungesunden Schuldgefühlen ist nämlich, dass wir für das Glück anderer verantwortlich seien.
Damit jemand allerdings glücklich ist, muss er sich glücklich fühlen. Um sich glücklich fühlen zu können muss derjenige jedoch auch glückliche Gedanken haben. Und genau hier steckt die Krux.
Du kannst so liebenswürdig, hilfsbereit, freundlich usw. sein wie du möchtest. Dein Gegenüber entscheidet immer selbst mit welchen Gedanken und damit auch mit welchen Gefühlen er/sie reagiert.
Du kannst also auf jemanden treffen, dem du deine Hilfe anbietest und er/sie reagiert mit dem Gedanken: „Na das war ja auch das mindeste.“ Oder du triffst auf jemanden der denkt: „Lass mich in Ruhe, ich brauche deine Hilfe nicht, ich kann das alleine!“ oder jemand die denkt: „Wie freundlich, das war wirklich nett.“ usw. In allen drei Situationen war dein Verhalten nicht ausschlaggebend für die Reaktion, sondern die Art und Weise, wie dein Gegenüber darüber denkt.
So kann jemand, der dich um Hilfe bittet, den du jedoch zurückweist auch denken: „Gut, dass er/sie auch mal nein sagen kann und auf sich achtet.“ oder : „Das macht nichts, das schaffe ich auch alleine.“ oder „Dann könnte ich noch XY fragen.“ oder : „Was für ne blöde Kuh, der helfe ich auch nie wieder!“
Du siehst, es kommt ganz auf die eigenen Gedanken an wie wir emotional reagieren. Und das gilt auch für ungesunde Schuldgefühle.
Vorsicht! Es gibt Menschen, die sind Meister darin, andere anhand von Schuldgefühlen zu manipulieren. Sie reden dir ein, es sei deine Schuld, dass es ihnen schlecht geht, weil du etwas bestimmtes gemacht oder gesagt hast. Das sind Menschen, die nie gelernt haben, Verantwortung für ihre eigenen Gedanken und Gefühle zu übernehmen.
Entweder hältst du dich von ihnen fern oder du nutzt sie als Herausforderung, den Schuldgefühlen, die sie provozieren wollen, Stand zu halten und dich selbst zu stärken und daran zu wachsen.
Doch was wenn du schon mittendrin steckst in deinem Schuldgefühl und dich fühlst als wärest du der grässlichste Mensch der Welt? Am besten ist es du vertraust dich einer dir wohlgesonnenen Person an, der du vertraust. Mit ihr kannst du gemeinsam herausfinden, ob du gerade gerechtfertigte Schuldgefühle hast oder nicht. Sind sie es, geht es um eine Wiedergutmachung. Überlege dir was du tun kannst, um es wieder gut zu machen. Manchmal, wenn der/die Gegenüber nicht mehr erreichbar ist hilft es sich eine andere Person zu suchen, der man dafür hilft oder etwas gutes für andere Menschen tut.
Stecken dahinter aber ungesunde Schuldgefühle, lenke dich erstmal ab, gehe joggen, rede mit einer vertrauten Person darüber oder mach etwas ganz anderes. Und wenn dein Gefühl etwas abgeflacht ist hinterfrage deine inneren Regeln und überprüfe ob du gerade mehr Verantwortung auf dich und dein Tun geladen hast als eigentlich nötig und realistisch. Oft machen wir auch den Fehler uns für eine Handlung zu verurteilen, die uns jetzt als falsch erscheint, zum damaligen Zeitpunkt uns aber wichtige Informationen fehlten, um das zu erkennen.
Schuldgefühle sind unangenehm und nicht gänzlich zu vermeiden. Sei bei allem was du tust stets geduldig mit dir selbst und schenke dir Trost, wenn du dieses Gefühl spürst um es dann wieder gehen zu lassen.